Drum stirb auch du by Claus Beling

Autor:Claus Beling [Beling, Claus]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
veröffentlicht: 2014-05-28T22:00:00+00:00

Kaum war DI Waterhouse wieder in ihrem Büro, eilte sie zu ihrer Sitzecke am Fenster, zog den Brief des Bailiffs aus ihrer Aktentasche und las ihn zum wiederholten Mal durch. Er war ihr die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gegangen.

Was der Bailiff ihr in seinem kurzen Schreiben anbot war die Chance, sich für eine Stelle zu bewerben, die das britische Justizministerium in London neu einrichten wollte und die nach Möglichkeit mit jemandem aus den Kronbesitzungen, also von den Kanalinseln oder der Isle of Man, besetzt werden sollte. Dabei ging es um die Koordination von allen Ermittlungen, die länderübergreifend genau diese Inseln und Großbritannien betrafen.

Sie ließ den Brief sinken und dachte angespannt nach. Normalerweise hatte sie ihre Emotionen immer gut im Griff, aber jetzt spürte sie doch ein klein wenig Aufregung. Es war zweifellos eine einmalige Chance, die man ihr da bot, auch wenn sie sehr überraschend kam. Früher hatte sie sich immer gewünscht, in London leben zu können, aber wollte sie es jetzt immer noch? Und warum hatte der Bailiff ausgerechnet sie angesprochen?

Sie wusste, dass er jede Gelegenheit ergriff, für internationale Jobs Bürger seiner Insel ins Spiel zu bringen. Normalerweise betraf das wichtige Positionen in der Finanzwelt oder politische Aufgaben im Umfeld der Krone.

Doch hier ging es um etwas ganz anderes. Ihr war durchaus klar, wie sehr dabei eine Rolle spielte, dass sie eine Frau war. Der kleine Hinweis des Bailiffs auf ihre bisherigen Erfolge als Ermittlerin erlaubte ihr aber, selbstbewusst davon auszugehen, dass man sie vor allem vorschlagen wollte, weil sie kompetent erschien.

Sie sah sich die entsprechende Formulierung in dem Brief noch einmal an. Sie lautete: »… insbesondere aufgrund Ihres hohen fachlichen Könnens und Ihrer Durchsetzungskraft, die wir mehrfach bewundern durften …«

Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Sie wusste genau, worauf der Bailiff dabei anspielte. In den vergangenen Monaten war es zweimal zu Konflikten mit dem Generalstaatsanwalt und dem comité des chefs de police gekommen, weil sie aus deren Sicht einen Totschlagsfall und ein Raubvergehen zu sehr an sich gerissen und dabei angeblich die Honorary Police übergangen hatte. Einer der Fälle hatte sich in St. Brelade ereignet, also im Revier von Harold Conway. Sie wusste, dass Conway den Bailiff aus Jugendzeiten persönlich kannte.

Wollte man sie jetzt etwa loswerden? Zutrauen würde sie es Conway. Unter allen chefs de police war er der stiernackigste, kämpferischste und damit auch gefährlichste.

Andererseits glaubte sie nicht, dass es der Bailiff als Staatschef nötig hatte, sich von einem Hobby Bobby den Weg weisen zu lassen. Eine Zusammenarbeit mit dem britischen Justizministerium in London hatte einen hohen Stellenwert für ihn, und er durfte sich mit seinem Vorschlag nicht blamieren.

Jane Waterhouse nahm sich vor, auf jeden Fall erst einmal ihr Interesse an dem neuen Job zu bekunden und so noch etwas Zeit zu gewinnen. Am Schluss seines Briefes hatte der Bailiff angekündigt, dass er, ihr Interesse vorausgesetzt, in den nächsten Tagen einen seiner juristischen Berater bitten wollte, ein offizielles Bewerbungsgespräch mit ihr zu führen.

Nun gut, sie war bereit.

Doch gleichzeitig nahm sie sich vor, bis dahin Harold Conway gut im Auge zu behalten.

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